Dienstag 16. April 2024

6. April 2013

Einsätze

Erdbebeneinsatz der Hundeführer des Feuerwehr KHD – Wien im Iran

Am 26.12.03 erschütterte die Provinz Kerman im Iran ein Erdbeben der Stärke 6,3. Das Epizentrum lag genau in der Region Bam, einer 1.000 km süd-östlich von Teheran gelegenen Stadt mit 80.000 Einwohnern. Österreich erhielt über die Frühnachrichten Kenntnis vom Erdbeben, wobei – wie fast immer in solchen Fällen – Anfangs nur von einigen Toten gesprochen wurde. Im Laufe des Tages werden die Berichte immer detaillierter, das Ausmaß der Katastrophe immer bewusster. Als Leiter des Operativen Zentrums der Internationalen Rettungshunde Organisation „IRO“ wird Peter Schüler, gleichzeitig Leiter der Rettungshundestaffel des Feuerwehr KHD - Wien von der „IRO“ um 09.40 h vom Hilfsangebot der „IRO“ in Kenntnis gesetzt und gebeten, die Einsatzbereitschaft der „IRO“ vorzubereiten. Der Tag ist ausgefüllt mit Vorbereitungsarbeiten für den möglichen Einsatz, aber auch mit einem zermürbenden Warten für die Rettungsteams. Nachdem die Islamische Republik Iran am Nachmittag endlich die Vereinten Nationen um internationale Hilfe ersucht, werden seitens der IRO die Hundeführer aus den NRO der IRO angefordert, die Hundeführer aus Österreich werden im Kontingent des Österreichischen Bundesheeres „AFDRU“ zusammengezogen. Um etwa 18.00 h rücken im Auftrag der Feuerwehrdirektion drei Rettungshundeführer des KHD – Wien mit ihren Hunden um ca.18 Uhr in das AFDRU Kontingent des Österreichischen Bundesheers nach Korneuburg in die Dabschkaserne ein. Die Hundeführer sind: Magdalena KOCZERA mit Hund „Tassilo“, Johann FÜRHAUSER mit Hund „Laszlo“ und Peter SCHÜLER mit Hund „Pax“. Von der BF Wien ist Ramin Geiger als Dolmetsch mit im Kontingent. Die Verlegung nach Bam erfolgt am folgenden Tag. Das von der „IRO“ gecharterte Sonderflugzeug startet noch am Tag der Katastrophe um 23.15 h Richtung Iran. Im Team sind neben dem Einsatzleiter, Dr. Wolfgang Zörner, 3 Hundeführer der IRO aus CZ, ein Sanitäter der Johanniter Unfallhilfe, ein Kameramann und ein Reporter des ORF sowie Brigadier Hirschmugl von UNDAC. Von AFDRU begeben sich 120 Personen aus allen Bundesländern Österreichs in das Einsatzgebiet um der notleidenden Bevölkerung zu helfen. Mit dabei sind auch 19 Rettungshunde der Österreichischen Hundesportunion, der Feuerwehr Kapfenberg, des Feuerwehr KHD - Wien und der Österreichischen Rettungshundebrigade. In den Abendstunden erreicht das Hilfskontingent die Provinzhauptstadt Kerman, ca. 180 km nördlich des Katastrophengebiets. Ein Vorkommando von 10 Personen wurde unmittelbar darauf mit einer C-130 Herkules der Iranischen Luftwaffe nach Bam eingeflogen um erste Erkundungen durchzuführen und eine erste Lagebeurteilung zu treffen. Das eigentliche Kontingent wird später mit Iranischen Armeehubschraubern ebenfalls in das Einsatzgebiet eingeflogen. Dem Erkundungskommando bietet sich bei seiner Ankunft ein grauenhaftes Bild: der iranische Rote Halbmond betreibt dort ein Lazarett, um Erdbebenopfer, die ausgeflogen werden sollten zu stabilisieren. Duzende Tote stapeln sich bereits vor der Ankunftshalle des Flughafens. Auf dem Weg in die Stadt Bam wird das Ausmaß dieses Erdbebens erst richtig klar. Eine Stadt von etwa 80.000 Einwohnern ist dem Erdboden gleichgemacht. Es gibt kein einziges Haus mehr, das das Beben unbeschadet überstanden hat, der Großteil ist überhaupt nur mehr ein Ziegelhaufen. Von der 4000 Jahre existierenden Hochkultur sind nur mehr Trümmer übrig. Nach dem Eintreffen der Rette- und Bergeteams in Bam beginnt am 28.12.2003 die Arbeit der AFDRU-Bergeteams. 62 Einheiten aus 35 Ländern in einer Gesamtstärke von ca. 1.700 Personen versuchen zusammen mit Hilfskräften aus allen Teilen des Iran Überlebende zu finden und zu retten. Dazu wurde Bam in 10 Sektoren aufgeteilt, um durch den Einsatz von Rettungshunden und technischer Ortung flächendeckend ein aktuelles Lagebild zu erhalten und in weiterer Folge schwerpunktmäßig dort, wo ein Überleben am ehesten wahrscheinlich erscheint, Rettungs- und Bergekräfte anzusetzen. Dem AFDRU Kontingent wird der Schadenssektor 2 im Zentrum der Stadt zugewiesen, und die Kräfte beginnen sofort mit der Suche nach Verschütteten. Trotz dem Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel können durch das österreichische Kontingent jedoch nur Tote gefunden und geborgen werden. Trotzdem arbeiten die Österreicher, wie auch alle anderen nationalen und internationalen Kräfte bis zur Erschöpfung und geben die Hoffnung nicht auf. Am Montag erleben die Feuerwehr Hundeführer dramatische Stunden: Nach Beendigung der Sucharbeit werden die Hunde nach einer Ruhepause gefüttert ordnungsgemäß versorgt. Etwa eine Stunde nach der Fütterung kommt es bei „Tassilo“ dem Hund von HF Magdalena Koczera zu schweren gesundheitlichen Problemen. Der Hund hat eine Magendrehung erlitten und muss umgehend notoperiert werden. Es handelt sich dabei um einen äußerst riskanten Eingriff, und nur durch den raschen professionellen und aufopfernden Einsatz der dem Team angehörenden Veterinärmedizinerin und der Sanitätsmannschaft des Kontingents, kann der Rettungshund in einer dramatischen, nächtlichen, zweieinhalb Stunden dauernden Operation gerettet werden. Leider kann dieser Rettungshund für Einsätze welche mit derartigen Strapazen verbunden sind, nicht mehr verwendet werden. Nachdem die ersten Teams bereits am 30.12. ihre Sucharbeiten einstellen, wird am 01.01. auch von Seiten des AFDRU-Kontingents zusammen mit einem dänischen Team als letztes die aktive Suche eingestellt, und nur mehr ein Team auf Anforderung der nationalen oder internationalen Behörden bereitgehalten. Der Rest des Kontingents beginnt mit dem Abbau des Lagers und übergibt Verpflegung, Zelte und Medikamente an humanitäre Missionen, die noch länger im Einsatzraum zum Wiederaufbau verbleiben. Am folgenden Tag um 13.30 h fliegt das Kontingent, nachdem die Maschinen mit Cargo bereits am Weg nach Österreich sind, vom Flughafen Bam mit einer Passagiermaschine („Thomas Cook“) zurück in die Heimat. Das Kontingent der österreichischen militärischen Katastrophenhilfe trifft völlig erschöpft aber gesund und glücklich, Solidarität bewiesen zu haben, am Flughafen Wien Schwechat ein. Nachdem alle nötigen Abschlussarbeiten in der Dabschkaserne in Korneuburg erledigt sind, werden die Helfer nach Hause entlassen. Die internationale Staatengemeinschaft konnte durch ihr Engagement im Erdbebengebiet zwar leider unmittelbar keine Verschütteten lebend aus den Ruinen retten, hat aber durch ihren Einsatz einerseits dem Ausbruch von Seuchen entschieden vorgebeugt, andererseits der betroffenen Bevölkerung psychisch und moralisch unglaubliche Unterstützung zukommen lassen, was auch von den Betroffenen selbst wie auch von Seiten der Iranischen Regierung, allen voran Staatspräsident Khatami, der die Hilfskräfte auch persönlich besuchte immer wieder deutlich ausgedrückt wurde.

Die Bilder, die sich den Hilfskräften boten, wird wohl keiner von ihnen vergessen, aber das Gefühl leidenden Menschen durch professionelle Hilfe zur Seite stehen zu können, wiegt alle physischen und psychischen Strapazen, die die Helfer auf sich nehmen auf. Peter Schüler Leiter der Rettungshundestaffel Des Feuerwehr KHD - Wien
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