Dienstag 16. April 2024

6. April 2013

Einsätze

Kran stürzt auf Zentralfeuerwache!

Vorbereitung auf den Sturm Am 21. 6. 2007 waren bei der Wiener Berufsfeuerwehr mehrere Sturmwarnungen eingelangt. Um die zu erwartende hohe Anzahl von entsprechenden Einsätzen bewältigen zu können, wurden entsprechende logistische Maßnahmen vorbereitet. Bei einem derartigen Schadensereignis werden Löschgruppen „gesplittet“, was bedeutet, dass mit der im Dienst befindlichen Mannschaft zusätzliche Fahrzeuge, welche sonst als Betriebsreserve dienen, besetzt werden. Außerdem wird ab einem bestimmten Einsatzaufkommen „Erhöhte Einsatzbereitschaft“ ausgelöst, was bedeutet, dass die Feuerwehrfahrzeuge auch nach einem erledigten Einsatz mit Blaulicht wieder einrücken. Es wird auch bei der Notrufannahme selektiert, ob eine konkrete Gefährdung vorliegt oder ob beispielsweise nur eine umgestürzte Plakatwand auf einem Gehsteig liegt. Derartige Bagatelleinsätze werden bei einem Sturm zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt.

Der Unfall Auf Grund der starken Windböen war um 16:58 Uhr der für den Umbau der Zentralfeuerwache vor dem Haus Am Hof 9 aufgestellte 55 Meter hohe Turmdrehkran zuerst ins Wanken gekommen und schließlich parallel zur Fassadenfront Am Hof 9 umgestürzt. Der Mast des Kranes krachte bei zirka zwei Drittel seiner Höhe in das Haus Nummer 10, das obere Drittel legte sich über den Giebel und die Gegengewichte (14 t) des Kranauflegers fielen in den Innenhof des Hauses Am Hof 10 und im Haus 11 (Lederhof) ein. Der Betonkübel, den der Kran zum Unfallzeitpunkt manipulierte, blieb an den Seilen, die sich an der Ecke des Hauses Am Hof 11 verfingen, in ca. acht Meter Höhe hängen. Die Schäden am Haus 10 umfassten das Dachgeschoss (Spitzbogen) und das dritte Obergeschoss im Bereich der Kleiderkammer. Die Gegengewichte schlugen mit großer Wucht im Innenhof im Bereich der Tankstelle ein. Der Tank unter der Zapfsäule wurde dabei aufgerissen. Außerdem wurde eine in diesem Bereich verlaufende Hauptwasserleitung abgerissen, sodass das Wasser im Innenhof aus dem Boden quoll. Die provisorische Wasserleitung zum Haus Am Hof 7, die neben dem Kranfundament verlegt war, wurde ebenfalls durchtrennt.

Die Alarmierung Da der Kran unmittelbar vor den Fenstern der Nachrichtenzentrale vorbeigekippt war, wurde sofort Alarm ausgelöst. Zahlreiche Feuerwehrbeamte, welche mit dem Schließen der Fenster beschäftigt waren, wurden Augenzeugen des Unfalles. Erste Maßnahmen Unmittelbar nach dem Vorfall war nicht klar, ob Feuerwehrbeamte zu Schaden gekommen waren. Aus diesem Grund wurde am Antreteplatz eine Standeskontrolle durchgeführt. Zeitgleich liefen vier Feuerwehrbeamte zum Ausstieg auf das Dach im vierten Obergeschoss und stellten fest, dass der Kranführer tot war. Nachdem die Vollzähligkeit der Mannschaft festgestellt worden war, wurden die Mitarbeiter informiert, die Kräfte neu eingeteilt und bestimmten Gebäudeteilen zugewiesen. Die Mannschaft der Zentralfeuerwache wurde ausschließlich für den Kranunfall eingesetzt. Durch den umgestürzten Kran war die Ausfahrtstür einiger Feuerwehrfahrzeuge versperrt, es wurde daher „Alarmstufe 2“ ausgelöst. Die Löschbereitschaft „Favoriten“ wurde aber nach kurzer Zeit auf Grund des großen Einsatzaufkommens in der gesamten Stadt wieder abbestellt. Die ersten Erkundungsmaßnahmen erstreckten sich auf den Innenhof des Objektes Am Hof 10. Sämtliche Fahrzeuge im Innenhof wurden aus dem Gefahrenbereich gebracht und für den Innenhof ein Betretungsverbot ausgesprochen. Eine Gruppe wurde zwecks Kontrolle in den Bereich der Kleiderkammer und eine Gruppe in den Keller zwecks Erkundung auf eventuelle Schäden auf Grund des Wasserrohrbruches im Tankstellenbereich eingeteilt. Mit Hilfe des anwesenden Beamten der Gebäudeverwaltung wurde die Wasserabsperrung durchgeführt.

Weitere Einsatzdurchführung Zunächst wurden die Häuser in der Färbergasse und Ledererhof kontrolliert, welche vom umgestürzten Kranausleger betroffen waren, wobei keine verletzten Personen aufgefunden wurden. Als erste Sicherungsmaßnahmen wurden der Kran stromlos geschalten und im Bereich der Einschlagstelle Am Hof 10 die umgerissene „Weltkugel“, die samt ihrer Unterkonstruktion in den dritten Stock gestürzt war, mittels Greifzug und Schwerlastbändern soweit gesichert, dass der Zugang zum in der Kanzel eingeklemmten Kranführer geschaffen werden konnte. Die durchschlagene Geschoßdecke zwischen dem dritten und vierten Obergeschoß wurde mit Pölzrohren und Kanthölzern notgepölzt. Eine Löschgruppe kontrollierte weiters das Haus Am Hof 11 und veranlasste in Zusammenarbeit mit der Sicherheitswache die Räumung des Gebäudes. Eine der Löschgruppen Zentrale wurde für Auspumparbeiten im Kellerbereich abgestellt. Die anwesenden Mitarbeiter der Baufirma wurden angewiesen die Stromlosschaltung des Baukranes vorzunehmen. Der Wasserrohrbruch Am Hof führte dazu, dass eine Wasserfonthaine direkt auf den 10 KV Trafo zielte. Ein Gefahrenbereich, um eventuelle Stromunfälle zu vermeiden, wurde festgelegt sowie, der Störtrupp von Wien-Strom angefordert. Dem Rettungsdienst wurde kurzfristig der Zugang zum Kranführer ermöglicht, wobei der Tod des ca. 50-jährigen Mannes festgestellt wurde. Als die ersten Sicherungsmaßnahmen erfolgreich durchgeführt waren, wurde der Kranführer mittels Rettungssäge und hydraulischem Rettungssatz des Wechselaufbaus „Schwerwerkzeug“ aus der Krankanzel befreit. Eine provisorische Pölzung des durch diverse umgestürzte, historische Fassadenteile beschädigten Daches im Bereich der Kleiderkammer im dritten Stock wurde von einer Löschgruppe „Zentrale“ durchgeführt. Nach dem Beenden der Sicherungsarbeiten und den Bergen des Kranführers wurde von von den Kräften der „Zentrale“, der Betonkübel, welcher sich an der Ecke des Hauses Am Hof 11 verfangen hatte, unter Zuhilfenahme des Kranfahrzeuges „Floridsdorf“ sowie des Teleskopmastfahrzeuges „Floridsdorf“ vom umgestürzten Drehturm entfernt und am Boden abgestellt. Anschließend wurde die Flasche mit Lasthaken über die Ecke des Hauses Am Hof 11 gehoben und ebenfalls gesichert abgelegt. Dann wurden von den restlichen Kräften der „Zentrale“ noch einmal die betroffenen, angrenzenden Wohnhäuser dachseitig kontrolliert, wobei lose Dachziegeln teilweise über eine Drehleiter entfernt wurden. Eine beschädigte Rauchfanggruppe wurde mit dem Inspektionsrauchfangkehrer überprüft. In weiterer Folge wurde der Innenhof der Feuerwache Zentrale vom Bauschutt geräumt sowie ein 3,5 Tonnen Gegengewicht des Kranauslegers im direkten Zug mit dem Kranfahrzeug „Floridsdorf“ aus dem Innenhof gezogen. Nach Beendigung der Einsatzarbeiten durch die Feuerwehr wurde von der MA 48 der Platz Am Hof sowie die Färbergasse und der Ledererhof abgesperrt.

Die menschliche Tragödie Der Kranführer, welcher bei dem tragischen Kranunfall ums Leben gekommen ist, war der Vater von OFM Markus Tesarik. Es wurde dem Kollegen auf eigenem Wunsch ermöglicht, seinen Vater an der Einsatzstelle ein letztes Mal zu sehen, um Abschied zu nehmen. Anschließend wurde er in dieser schwierigen Situation von zahlreichen Kameraden betreut.

Schlussbetrachtung Im Normalfall erreichen die Einsatzkräfte der Feuerwehr den Ort des Geschehens nachdem etwas passiert ist. In diesem Fall waren alle Augenzeugen des Unfalles leicht geschockt. Trotzdem wurde die schwierige Situation gut gemeistert. Es wurden zwei dienstfreie Offiziere einrückend gemacht – ein Spezialist für den technischen Hilfsdienst und ein Einsatzoffizier für den Pressesprecher, der dadurch statt in „Hernals“ in der „Zentrale“ die Medienarbeit erledigen konnte. Im Prinzip wurde – trotz anfänglicher Fassungslosigkeit – nach der GAMS – Regel gearbeitet. Die Gleichzeitigkeit von Schadensereignissen stellt für jede Feuerwehr eine logistische Herausforderung dar. Mit der Bewältigung dieses Kranunfalls und der Abwicklung anstehender Sturmeinsätze haben die MitarbeiterInnen der Wiener Berufsfeuerwehr ihr hohes Maß an Problemlösungskompetenz unter Beweis gestellt.

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