Freitag 19. April 2024

6. April 2013

Humor

Das „Küberl“ im Wandel der Zeit (mit Video!)

Eine historische Betrachtung von Alexander Markl
Es gibt bei der Wiener Feuerwehr uralte Traditionen, welche sich sehr lange zurück verfolgen lassen. Dazu gehört unter anderem das Verpassen eines „Küberls“. Für jene Leser, die in feuerwehrtechnischen Belangen nicht wirklich sattelfest sind, wird die Sache an dieser Stelle leicht verständlich erklärt: Wenn ein Feuerwehrmann einem anderen Dankbarkeit und Anerkennung zuteil werden lassen will, schüttet er ihm zehn Liter Wasser aus einem Kübel über den Kopf. Das muss aus traditionellen Gründen genau dann passieren, wenn der Betroffene überhaupt nicht damit rechnet. Durch den unaufhaltsamen Fortschritt der Technik sind in modernen Zeiten natürlich auch mit Wasser gefüllte Nylonsackerln – sogenannte Wasserbomben, welche beim Abwurf aus höheren Geschossen oft überraschende Ergebnisse verursachen – durchaus zulässig. Der traditionsbewusste Feuerwehrmann hält aber an der althergebrachten Kübeltechnik, welche wahrscheinlich schon vor der Erfindung der Feuerwehr zur Anwendung gekommen ist, fest.

Bild 1: Historisches Küberl ca. um 1900 n. Chr.

Natürlich geht die Zeit auch am Verabreichen eines Küberls nicht spurlos vorüber. So wie alle Dinge im Leben einer stetigen Veränderung unterzogen sind, macht sich auch auf diesem Sektor der technische Fortschritt bemerkbar. Hat man in alten Zeiten die Kollegen mit handgefertigten Kübeln aus Leder oder Holz angeschüttet, kommen heute meistens Gebinde aus Kunststoff zur Anwendung. Natürlich haben sich auch die handelnden Feuerwehrmänner im Laufe der Jahrhunderte evolutionär angepasst: Waren es früher einfache, biertrinkende Löschknechte, die sich gegenseitig ein Küberl verpasst haben, so machen sich in der heutigen Zeit moderne, mineralwassertrinkende Firefighter gegenseitig nass. Am Ergebnis, dass einer verärgert und der andere schadenfroh ist, hat sich zum Glück im Lauf der Geschichte nichts geändert. Bei der Wiener Feuerwehr gibt es neben den hinlänglich bekannten vier Jahreszeiten auch noch eine fünfte inoffizielle Jahreszeit, die in Fachkreisen auch Küberlzeit genannt wird. Sie beginnt meist mit den wärmenden Strahlen der Frühlingssonne und endet oft wegen zahlreicher offener Rechnungen erst im Winter. Auch Personen, die mit den Feuerwehrritualen nicht so vertraut sind, können unschwer erkennen, wann die Küberlzeit angebrochen ist. Wenn Feuerwehrmänner beim Überqueren des Hofes einer Feuerwache immer ängstlich an der Fassade hochblicken und möglichst großen Abstand von verdächtigen Fenstern halten, ist es meistens so weit. Auch akustisch ist die Küberlzeit wahrnehmbar, zuerst durch ein lautes „Platsch“ und dann durch gleichzeitig einsetzende Flüche und wüste Racheschwüre von unten und schadenfrohes Lachen und zusätzliche Verspottungen von oben. Bild 1 zeigt ein historisches Küberl um ca. 1900 herum. Obwohl die Technik nach heutigen Maßstäben hoffnungslos veraltet erscheint, kann der Fachmann durchaus moderne Tendenzen erkennen. So waren beispielsweise auch damals schon Zeitpunkt und Ort taktisch klug gewählt. Man sieht also, dass eine fundierte Ausbildung und großes Fachwissen vorhanden waren.

Bild 2: Modernes Küberl nach allen Regeln der Kunst im Jahr 2004
Hier das Video (abzuspielen mit MS Windows Media Player)!

Ganz anders schaut es natürlich mit dem zeitgemäßen Küberl von 2004 auf Bild 2 aus. Hier wird der betroffene Kollege im Rahmen einer Schauübung mit modernsten hydraulischen Rettungsgeräten aus einem Autowrack geschnitten und von eingeweihten Rettungssanitätern mit medizinischen Hilfsmitteln fixiert. Schließlich wird dem ahnungs- und wehrlosen Opfer von einem Offizier nach kurzen, einleitenden Worten über eine hochmoderne Lautsprecheranlage vor geschätzten 1000 Zusehern ein öffentliches Küberl verabreicht. Im Informationszeitalter ist es darüber hinausgehend selbstverständlich, dass ein besonders gut gelungenes Küberl auch entsprechend medial verwertet wird. Natürlich kann man Fotos und Video im Internet unter www.firefighter.at betrachten. Abschließend ist festzustellen, dass die Geschichte des Küberls eine Geschichte voller Missverständnisse ist, weil meistens auch Unbeteiligte nass werden. Trotzdem darf man zukünftigen Entwicklungen gespannt entgegen sehen!
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